Gustav Klimt. Im ornamentalen Goldrausch.


Klimt künstlerportrait gold art aperitivo

 

Für diesen Artikel empfehle

ich folgendes Getränk: ein Gläschen Grüner Veltliner-Sekt aus dem Burgenland 

oder ein Ingwer-Spritz (Ingwersirup aufgegossen mit Almdudler, Weisswein & Soda  



Um 1900 in Wien: eine Zeit des Aufbruchs in die Moderne. 

 

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte man alles Alte und Einengende abzuschütteln. Weg von den altmodischen Traditionen der Monarchie, weg von der Strenge und den bürgerlichen Konventionen. Einen Gegenpol zur Industrialisierung zu setzen, hin zur Freiheit, Natur, Weiblichkeit. Es ist eine Hochzeit für die Wissenschaft, in der Kunst, in Literatur und Architektur. 

 

Philosoph Ludwig Wittgenstein, Psychologe Sigmund Freud, Schriftsteller Adalbert Stifter, Maler wie Gustav, Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka - sie alle lebten zu dieser Zeit in Wien. Hier war der Weltgeist zuhause.

 

Selten, dass so viel Revolution an einem Ort gleichzeitig stattfand. 

 

Der Jugendstil ist Ausdruck dieser neuen Bewegung und fasst alle Strömungen zusammen. Die sehr natürlichen Formen der Natur, fließende Linien und Pflanzenformen, finden sich in der Architektur und im Möbelbau, im Schmuck, in der Malerei und der Ausgestaltung von Innenräumen wieder. Die Wiener Secession - das Ausstellungshaus der Vereinigung bildender Künstler in Österreich gilt z. B. als das Symbolgebäude des Jugendstils in Europa. Obwohl es für heutige Maßstäbe eher übertrieben dekorativ aussieht, war der Stil für damalige Verhältnisse aber revolutionär wild und galt als sehr neu, sehr anders und sehr frei - und weit entfernt vom damals vorherrschenden "Zuckerbäckerstil" des Barock.

 

Der "Jugend"-Stil zeigte sich nicht nur in Kultur und Dekorativem - es war eine Reformbewegung, die Auswirkungen auf den gesamten Lebensstil hatte. Ein wenig vergleichbar mit der 68er Bewegung. Wenn man nicht gerade nackt war ("Die Freikörperkultur" war geboren), so trug man "Reformkleider", kittelähnliche Alltagskleider als Protest gegen das einschnürende Modediktat des vorangegangenen Jahrhunderts - und gleichzeitig Konsumkritik.

 

Sehr frei und naturliebend, versuchten die Künstler aus allen Bereichen, die Kunst wieder in den Fokus des Lebens zu rücken. "Die Kunst soll das Leben verändern, nicht aber das Leben die Kunst."

 

 

Wien ist (neben München für Deutschland, Brüssel und Paris "Art Noveau") die Hochburg des Jugendstils. Und Gustav Klimt ist DER Vertreter des Jugendstils in Österreich. 

 

Wenn man das alles weiß - und wie modern und neu dieser Stil zur damaligen Zeit war - sieht man diesen Künstler doch in einem ganz anderen Licht. Ganz ehrlich: "Der Kuss" gehört zu den Meisterwerken, die einem ganz gehörig auf die Nerven gehen können. Die massenhafte Verbreitung, die vielen Kunstdrucke, die millionenfach angebotenen Merchandise-Artikel mit den goldenen Ornamenten auf Regenschirmen, Teetässchen und Halstüchern - gruselig. Das macht das eigentlich Werk irgendwie banal - und hilft auch keineswegs, überhaupt etwas 'Meisterliches' daran zu erkennen. 

 

Die Faszination eines Klimtwerkes versteht man besser, sieht man eines seiner großformatigen Bilder im Original.  "Das Bildnis der Adele Bloch Bauer" ist nach meinem Empfinden sehr viel schöner als "Der Kuss" und zählt heute zu den bedeutendsten Werken des Jugendstils. 

Das Bildnis Adele Bloch-Bauer, Gustav Klimt, 1907, Quelle: WikiArt
Das Bildnis Adele Bloch-Bauer, Gustav Klimt, 1907, Quelle: WikiArt

Die meisten Klimts sind heute im Belvedere Museum in Wien ausgestellt. Nicht mehr alle Highlights seines Schaffens, denn das o. g. "Portait der Adele Bloch Bauer" musste Österreich nach einem medienwirksamen Rechtsstreit der Erbin Maria Altmann, einer Nachfahrin der Familie Bloch-Bauer, gemeinsam mit vier weiteren Bildern Klimts zurückgeben.

 

"Die Frau in Gold" (so auch der gleich lautende Titel des Films mit Helen Mirren, der die Thematik behandelt) hängt heute in der Neuen Galerie in New York.

Quelle: WikiCommons CCBY-SA3.0 / fotografiert von Manfred Werner / 2006
Quelle: WikiCommons CCBY-SA3.0 / fotografiert von Manfred Werner / 2006

 

Nun aber zu Klimts Geschichte.

 

Der Großvater von Gustav Klimt war Mitglied der Leibgarde von Franz Joseph & Sisi (dies nochmal zur Erinnerung, wie nah Monarchie und Kaiserreich noch waren), früh fällt er als begnadeter Zeichner auf und erhält noch sehr jung eine Ausbildung an der Kunstakademie. Schon als Minderjähriger arbeitet er als dekorativer Zeichner und "Ornamentalist" (diese Berufsbezeichnung war mir bislang neu).

 

Er gestaltet Wandbemalungen, Stoffe und Bühnenausstattungen für künstlerische Werkstätten, arbeitet im Auftrag für Theater und erhält mit seiner eigenen Manufaktur später auch Staatsaufträge, wie die Deckengemälde für das Wiener Burgtheater oder die Wandmalereien für das Kunsthistorische Museum (die man auch heute noch dort bewundern kann! s.u. rechts).

Weiteres Highlight: der Auftrag für die Dekoration des Festumzuges der Silberhochzeit von Franz Joseph & Sisi. 

Eines der Wandfresken (oben rechts) von Gustav Klimt, die die bedeutenden Stilepochen der europäischen Kunst abbilden, hier: das Alte Ägypten. 

 

Ebenso im Auftrag portraitierte er Persönlichkeiten aus dem jüdischen Großbürgertum, wie die o.g. "Dame in Gold" - Adele Bloch-Bauer (eine  Kunstförderin und Wiener Gesellschaftsdame, mit einem Zuckermonopolist verheiratet), 

 

Serena Pulitzer Lederer (ganz rechts), Star der Wiener Gesellschaft oder Fritza Riedler (Mitte und links), Ehefrau eines österreichischen Industriellen.

 

Von Staatsaufträgen zu avantgardistischer Kunst.

 

Klimt war Kunsthandwerker, nahm Auftragsarbeiten von Staat und der gehobenen Gesellschaftsschicht an, gleichzeitig ist da der Drang frei zu leben und - wie viele andere junge Männer auch, den neuen Weltgeist zu leben und die Vorstellungen der Vätergeneration hinter sich zu lassen. "Lasst die Träume zu" propagiert Sigmund Freud. Sich den Träumen hinzugeben, in die eigenen Exzesse einzutauchen, den innersten Begehren und Wünschen auf den Grund zu gehen und diese künstlerisch auszudrücken, das entspricht dem neuen "Weltgeist".

  

 

 

Klimt schafft es, beide Welten - nicht direkt miteinander zu vereinen - aber doch gleichzeitig zu leben. Damit unterschiedet er sich deutlich von anderen Künstlern. Gilt doch der Auftragsarbeiter als Handwerker und nur der Freigeist als wahrer Künstler.

 

Neben der schwelgerischen und prachtvollen Porträtmalerei aus den Wohnzimmern wohlhabender Unternehmer, lebt er sich in seinem Atelier aus: hier finden sich junge Modelle, Mädchen, die ihm für ein paar Schilling Modell oder auch für die ein oder andere sonstige Gefälligkeit zur Verfügung stehen. In seinen Zeichnungen zeigt Klimt den Privatmenschen. Nur aus seinem privaten Atelier stammen die tausende von Zeichnungen, die sich in seinem Nachlass finden und heute Höchstpreise erzielen.

 

In den Zeichnungen wird die weibliche Lust gefeiert, die lesbische Liebe gezeigt, hier sucht er die Wahrheit, auch die Abgründe seines eigenen Begehrens und illustriert die Verzweiflung nicht erfüllter Wünsche. Inwieweit dies nun voyeuristisch ist und Frauen zum Objekt stilisiert werden? Natürlich! Aber alles eine Sache der Interpretation.

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